World Immunization Day
Apr. 28, 2017
Meine erste Schluckimpfdosis gab ich einem kleinen Kind auf einer stark befahrenen Straße neben einer Bushaltestelle in Moradabad (indischer Bundesstaat Uttar Pradesh). Es war ein Sonntag, brütende Hitze, die Straßen verstopft mit Bussen, Autos, Rikschas, Mopeds, Fahrrädern, Ochsenkarren.
Wir hatten die Aufgabe erhalten, jedes Kind anzuhalten, dass jünger als fünf Jahre aussah. Wir hatten rotarische Freunde als Dolmetscher dabei, doch die meisten Eltern und Kinder wussten, warum wir da waren. Sie hielten uns entweder einen lila gefärbten kleinen Finger entgegen - das Zeichen, dass sie bereits die Impfung erhalten hatten, oder sie hielten uns ihre Kleinen entgegen, damit wir die beiden Tropfen einflößen konnten.
Ich arbeite im Zentralbüro von Rotary, und ich hatte mir meine erste Schluckimpfung immer als ruhigen, magischen Moment vorgestellt. So kommt es jedenfalls von den Bildern in unserem Bürogebäude oder in unseren Publikationen herüber. Doch die Realität sieht natürlich anders aus: die Kinder sind quengelig, es ist ein Riesenkrach auf der Straße, alle sind in Eile. Und so verging unser Einsatztag hektisch und im Nu.
Am nächsten Tag gingen wir in andere Stadtviertel und dort von Tür zu Tür, um die Kinder zu erfassen, die wir vorher verpasst hatten. Das waren hauptsächlich Säuglinge und Kleinkinder, die zuhause mit ihren Müttern waren. In dieser Umgebung war die Schluckimpfung eine ganz andere Erfahrung. ich stand dicht neben der Mutter, während wir gemeinsam versuchten, dem Kind den Mund so zu öffnen, dass es auch die Tropfen schluckte. es war eine ruhige Intimität in diesen Momenten, die mich sehr berührte.
Wenn ich an die Erfahrung zurückdenke, dann erscheint sie mir wie aus einem anderen Leben. Und ich erinnere mich an den Kontrast zwischen der Hektik des ersten Tages und der Ruhe des zweiten. Über allem steht aber die Ehrfurcht vor dieser gewaltigen kollektiven Leistung, die Kinderlähmung in Indien auszurotten! Wir Rotarier hatten diese Vision einer poliofreien Welt, und wir hatten den Mut, diese Vision in die Tat umzusetzen. Diese immense globale Dimension wurde mir bei dem Impftag erst richtig bewusst – und ich bin so stolz, dieser außergewöhnlichen Organisation angehören zu dürfen!