Rede des Generaldirektors der WHO auf der Rotary International Convention 2025
Jun. 22, 2025
Rotary Präsidentin Stephanie Urchick und Präsident elect Francesco Arezzo, sehr geehrte Rotarierinnen und Rotarier, liebe Kollegen, Freundinnen und Freunde, ich möchte mich zunächst bei Stephanie für die freundliche Einführung bedanken. Ich erinnere mich gerne an unser Treffen und an all die Unterstützung, die Sie uns gegeben haben.
Guten Morgen — guten Abend — aus Genf. Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht persönlich bei Ihnen sein kann, wie ich es geplant hatte. Ich musste nämlich vom Flughafen zurückkehren. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und Ihre Flexibilität, die Sie für die Änderung des Zeitplans aufgebracht haben, und ich bin froh, dass ich trotzdem virtuell dabei sein kann.
Ich möchte auch Präsident Urchick zu Ihrer Führung im vergangenen Jahr gratulieren, und ich gratuliere Dr. Arezzo zur Wahl als Präsident für das kommende Jahr. Als Rotarier ehrenhalber und Paul Harris Fellow ist es mir eine Ehre, mit Ihnen das 120-jährige Jubiläum zu feiern.
Meine eigene Verbindung zu Rotary reicht viele Jahre zurück, als ich Gesundheitsminister in Äthiopien war. Rotary unterstützte mich nicht nur bei der Bekämpfung von Polio, sondern auch in den Bereichen Müttergesundheit, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene und vielem mehr.
Ich habe gesehen, welchen Unterschied Rotary für mein Land und mein Volk gemacht hat.
Als Außenminister hatte ich auch die Ehre, 2015 das 60-jährige Bestehen von Rotary in Äthiopien zu feiern. Und dieses Jahr im Juni feierte Rotary Äthiopien sein 70-jähriges Bestehen.
Und ich habe eng mit mehreren Rotariern zusammengearbeitet, darunter dem verstorbenen Präsidenten Girma Woldegiorgis - selbst weiland Ehrenrotarier - und drei der Governors von Rotary, Ingenieur Shiffaraw Bizuneh, Nahusenay Araya und Dr. Tadesse Alemu. Alle vier haben so viel dazu beigetragen, Afrika vom wilden Poliovirus zu befreien, und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um diesen Beitrag zu würdigen.
Die Partnerschaft zwischen Rotary und der WHO geht auf die Gründung der Global Polio Eradication Initiative im Jahr 1988 zurück. Rotary war der Wegbereiter für den ersten Vorschlag zur Ausrottung der Kinderlähmung - inspiriert von der historischen Ausrottung der Pocken.
Seitdem konnten schätzungsweise 20 Millionen Lähmungsfälle verhindert werden. Das Virus kommt heute nur noch in zwei Ländern und in einigen wenigen Bezirken dort endemisch vor. Wir stehen an der Schwelle zur Geschichte. Und ich danke Ihnen für Ihre Führungsrolle dabei.
Natürlich ist der Weg zur Ausrottung nicht linear. Die letzte Meile ist die härteste. Im vergangenen Jahr haben wir Rückschläge erlitten, aber unsere Entschlossenheit ist ungebrochen. Wir werden die Kinderlähmung ausrotten. Weil wir es können. Weil wir es müssen. Und wenn wir es schaffen, dann nur dank Ihrer Unterstützung, dank Ihrer Führungsrolle.
Natürlich geht diese Unterstützung über Polio hinaus und betrifft die Gesundheit von Müttern und Kindern, Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene, Bildung, Friedensförderung, Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung. In einer Welt, in der Spaltung und Verzweiflung allzu oft die Schlagzeilen beherrschen, schreiben Sie eine andere Geschichte: dass Veränderung möglich ist, dass Gerechtigkeit möglich ist, dass Frieden möglich ist.
Heute freuen wir uns auch, eine neue Zusammenarbeit zwischen der WHO und Rotary ankündigen zu können, um anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages am 28. Juli auf das Thema Virushepatitis aufmerksam zu machen. Im Einklang mit Rotarys Motto der Zusammenarbeit mit Nachbarn, um Vertrauen zu schaffen und vor Ort etwas zu bewirken, wird Rotary gemeinsam mit der WHO dazu beitragen, Barrieren abzubauen, die den Zugang zu Informationen, Tests, Behandlung und Pflege bei Hepatitis verhindern. Wie bei Polio haben wir die Mittel, Hepatitis zu stoppen. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Menschen Zugang zu diesen Mitteln haben.
Auch wenn der Erfolg im Kampf gegen Polio näher rückt, stehen wir vor vielen neuen, ernsten Herausforderungen. Wie Sie wissen, haben drastische Kürzungen der Auslandshilfe tiefgreifende Auswirkungen auf die globale Gesundheitslandschaft. Veränderte Prioritäten in der Agenda der Geber und der Politik, Konflikte und Unsicherheit, Fehlinformationen und zögerliche Impfungen - all dies beeinträchtigt den Kampf gegen Polio und viele andere Krankheiten und betrifft Gesundheitsprogramme auf der ganzen Welt.
Viele Länder berichten, dass Menschen lebensrettende Dienste und Medikamente nicht in Anspruch nehmen können, dass Gesundheitseinrichtungen geschlossen werden, Gesundheitspersonal entlassen werden muss, Versorgungsketten und Informationssysteme unterbrochen werden und dass die Ausgaben für Gesundheit aufgrund von Mittelkürzungen steigen. Die WHO unterstützt die Länder bei der Bewältigung dieser Krise und der Aufrechterhaltung lebensrettender Dienste.
Aber in jeder Krise liegt auch eine Chance. Viele Staats- und Regierungschefs und Gesundheitsminister haben mir gesagt, dass sie diesen Moment als Chance sehen, die Ära der Abhängigkeit von Hilfsgeldern hinter sich zu lassen und den Übergang zu nachhaltiger Eigenständigkeit zu beschleunigen, indem sie inländische Ressourcen mobilisieren. Als Afrikaner sind wir dafür verantwortlich, dass sich etwas ändert, aber auch dafür brauchen wir Ihre Hilfe. Natürlich werden viele Länder kurz- und mittelfristig weiterhin Unterstützung von Rotary und anderen Gebern benötigen - aber diese Unterstützung muss nicht nur auf die Durchführung von Programmen, sondern auch auf den Aufbau von Kapazitäten, einschließlich der Mobilisierung lokaler Ressourcen, gerichtet sein.
Gleichzeitig befindet sich die WHO, wie Sie wissen, in einer eigenen Finanzkrise. Wir befinden uns jetzt in einem Übergangsprozess, was leider bedeutet, dass wir uns von einer beträchtlichen Anzahl engagierter und talentierter Menschen verabschieden müssen - weil wir keine andere Wahl haben. Aber auch hier glaube ich, dass in dieser Krise eine Chance liegt und dass wir daraus gestärkt und mit mehr Befugnissen ausgestattet hervorgehen und uns stärker auf unser Kernmandat konzentrieren werden, nämlich den Ländern zu helfen, die unsere Unterstützung brauchen.
Und es ist klar, dass die Nationen der Welt, die die WHO vor 77 Jahren gegründet haben, immer noch eine starke WHO im Zentrum der globalen Gesundheitsarchitektur wollen. Auf der Weltgesundheitsversammlung im vergangenen Monat haben die WHO-Mitgliedstaaten das Pandemie-Abkommen verabschiedet - ein neues völkerrechtliches Instrument, um die Welt sicherer vor Pandemien zu machen, aufbauend auf den schmerzlichen Lehren, die wir aus COVID-19 gezogen haben.
Wie Sie wissen, wurde die WHO nach dem Zweiten Weltkrieg in der Überzeugung gegründet, dass die einzige Alternative zu globalen Konflikten die globale Zusammenarbeit ist. Diese Überzeugung ist heute noch genauso aktuell wie 1948. Die WHO-Verfassung war das erste völkerrechtliche Instrument, das bekräftigte, dass Gesundheit kein Luxus ist, sondern ein Menschenrecht. Aber sie ging noch weiter und erklärte, dass Gesundheit eine grundlegende Voraussetzung für die Verwirklichung von Frieden und Sicherheit ist. Der Kampf gegen Polio liefert den Beweis für die enge Verbindung zwischen Gesundheit und Frieden. Es ist kein Zufall, dass die letzte Hochburg der Kinderlähmung in einer der unsichersten Regionen der Welt liegt. Und es ist kein Zufall, dass die Kinderlähmung im vergangenen Jahr im Gazastreifen wieder aufgetreten ist, 25 Jahre nachdem der letzte Fall gemeldet wurde.
Krankheit und Krieg sind alte Freunde. Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Gesundheit und Frieden gehen Hand in Hand. Und in dieser zunehmend geteilten und spaltenden Welt kann Gesundheit eine Brücke zum Frieden sein. Es gibt keine Gesundheit ohne Frieden, und es gibt keinen Frieden ohne Gesundheit.
Im Gazastreifen, im Sudan, in der Ukraine und anderswo arbeitet die WHO daran, das Leid zu lindern und die Schwachen zu schützen. Und ich bin mir sicher, dass Sie alle wie ich sehr besorgt sind über den neuen Konflikt zwischen Israel und dem Iran und darüber, wohin er führen könnte. Aber was die Menschen in diesen Ländern mehr brauchen als die Hilfe, die wir leisten, ist das, was wir nicht leisten können: Frieden.
Die beste Medizin ist Frieden.
Hier brauchen wir die Stimme von Rotary und seine Führung. Mit Ihren 1,2 Millionen Mitgliedern können Sie weltweit eine Rolle bei der Arbeit für den Frieden spielen. Wenn es eine Sache gibt, die unsere Welt jetzt am meisten braucht, dann ist es Frieden. Wenn nur die ganze Welt die Vier-Fragen-Probe von Rotary auf alles anwenden würde, was sie tut und sagt: Ist es die Wahrheit? Ist es fair für alle? Wird es guten Willen und bessere Freundschaften schaffen? Wird es für alle von Nutzen sein?
Übrigens möchte ich anmerken, dass Premierminister Danielle Smith das Gleiche gesagt hat, und ich bin froh, dass wir fast die gleiche Rede halten, und das nicht ohne Grund, denn wir respektieren die Werte von Rotary. In einer von geopolitischer Instabilität geprägten Welt ist die Stimme von Rotary und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Regierungen und führende Politiker für ihre Versprechen zur Rechenschaft zu ziehen. Wir fordern Sie daher auf, sich weiterhin zu Wort zu melden, sich für die Beendigung der Kinderlähmung und für den Frieden einzusetzen.
Das Mantra von Rotary lautet: "Die Kühnheit, eine Aufgabe zu beginnen, die Hartnäckigkeit, sie zu Ende zu bringen." Sie hatten die Kühnheit, von der Ausrottung der Kinderlähmung zu träumen. Und ich weiß, dass Sie die Hartnäckigkeit haben, die Aufgabe zu Ende zu bringen.
Die WHO ist stolz darauf, an Ihrer Seite zu stehen, zusammen mit UNICEF, der Gates-Stiftung und allen Partnern der Globalen Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung, einschließlich Gavi, sowie Ländern wie Kanada.
Ich möchte Sie übrigens dazu aufrufen, die Neuförderung von Gavi nächste Woche zu unterstützen.
Wir brauchen Ihre Stimme und Ihre Führungsstärke, um diese letzte Schwelle zu überwinden.
Sie zeigen, was die Welt sein kann:
Eine Welt, in der Mut die Angst besiegt;
in der die Gemeinschaft die Gleichgültigkeit besiegt;
in der Entschlossenheit die Krankheit besiegt;
in der Frieden den Krieg besiegt;
Eine Welt, in der Ihr Motto - Dienen über sich selbst - wirklich zählt.
Ich freue mich, — wenn auch ehrenhalber — Rotarier zu sein, und ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Jahreskongress, wenn auch nicht persönlich, so bin ich doch froh, dass ich zumindest virtuell live dabei sein kann, was für mich eine Ehre ist.
Mit meinem tiefsten Respekt und meiner Wertschätzung für alles, was Sie tun, danke ich Ihnen.